Mit von der Partie waren wir Eltern, unsere drei Kinder (16, 18 und 20 Jahre alt), sowie die Großeltern (meine Eltern), denen wir diese Reise überhaupt erst verdanken.
Die Idee, bzw. die Planung zu dieser Reise entstand im vergangenen Sommer. Vor vier Jahren, im Mai 2004, waren wir in derselben Besetzung bereits schon einmal mit dem Hausboot unterwegs, damals auf dem Canal du Bourgogne im nördlichen Frankreich. Daraus entstand dann letztes Jahr der Wunsch besonders der Kinder, eine solches Unternehmen zu wiederholen, gewissermaßen als abschließendes „Highlight“, denn voraussichtlich war dies das letzte mal dass alle drei Kinder zusammen mit uns in den Urlaub fuhren.
Der Canal du Midi war dabei ein Wunschziel von uns allen, da wir in den letzten sieben Jahren fünfmal in dieser Gegend unseren Urlaub verbracht hatten und diese Landschaft einfach lieben.
Der Kanal
Unser Nachbarland Frankreich wird von einem mehr oder weniger dichten Netz von Kanälen durchzogen, welche die Flüsse und Meere miteinander verbinden, so dass (fast) jeder Teil des Landes per Schiff erreichbar ist. Diese Kanäle waren früher wichtige Transportwege für Lastkähne, heute dienen sie hauptsächlich der Freizeit-schifffahrt. Betrieben werden diese Wasserwege von der „VNF“, der Kanalbehörde „voies navigables de France“. Diese Wasserwege dürfen mit Schiffen, die bauartbedingt nicht schneller als 8 km/h fahren, „sans permis“ - also ohne besondere Erlaubnis oder Nachweis von Vorkenntnissen - befahren werden.
Höhenunterschiede werden durch eine Vielzahl von kleinen Schleusen überwunden, die zu passieren die Schiffsbesatzungen ständig beschäftigen und letztendlich den Charme einer solchen Reise ausmachen. Denn an den Schleusen ist jeweils die ganze Mannschaft im Einsatz: Das Schiff muss sorgfältig in die und aus der Schleusenkammer gesteuert und während des Füllens oder Leerens der Kammer an den Pollern festgelegt werden. Wobei die Taue nicht festgemacht sondern in der Hand gehalten und mit dem Höhenunterschied mitgeführt werden müssen. Beim Verlassen der Schleuse muss das Schiff dann von den Schleusenwänden abgehalten werden.
Grundsätzlich sind wie im Straßenverkehr einige Regeln einzuhalten, so zum Beispiel haben an Hindernissen talwärts fahrende Schiffe Vorfahrt vor bergauf fahrenden Schiffen, besonders an den Schleusen scheint sich jedoch die alte Seefahrerweisheit zu bestätigen:
- „Bei allem was da dampft und segelt - ist einer der die Sache regelt“.
...und an den Schleusen, den "écluses" sind das die Éclusiers, die Schleusenwärter und -wärterinnen, die mitunter ziemlich selbstherrlich darüber bestimmen, in welcher Reihenfolge durch ihre Schleuse gefahren wird!
Manches mal überquert der Kanal auch enge Seitentäler über eine Brücke.
Jedes kleine Dorf entlang des Kanals verfügt über einen Hafen, zumeist mit Frischwasser- und Stromanschluss zum Nachbunkern, welche die Schiffe am Abend anlaufen um dort gegen eine geringe Gebühr die Nacht zu verbringen, denn bei Dunkelheit darf auf den Kanälen nicht gefahren werden. Außerdem sind die Schleusen zwischen 19:00 Uhr abends und 09:00 Uhr Morgens, sowie Mittags zwischen 12:30 und 13:30 geschlossen. Der erste Gang der Schiffsbesatzungen führt morgens meist zum örtlichen Bäcker um ofenfrisches Baguette fürs Frühstück zu besorgen. Hmmmmm....
Der „Canal du Midi“ (zu deutsch: Kanal des Südens) wurde bereits 1667 bis 1681 erbaut und verbindet den Mittelmeerhafen Sète mit der Stadt Toulouse von wo aus der Canal lateral à la Garonne bis Bordeaux am Atlantik weiterführt. Er ist somit ein Teilstück der Verbindung beider Meere per Wasserweg und gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Das von uns befahrene Teilstück liegt zwischen dem Ort Capestang (bei Béziers) und der alten Katharerfestung Carcassonne.
Das Boot
Als nächstes stelle ich Euch unser Schiff vor – die „Pentolina“, ein Hausboot vom Typ Vénus 38 mit drei Kabinen, ausgelegt auf eine Besatzung von 6 – 8 Personen.
Eine Zweibett-kabine befindet sich im Bug des Schiffes, dahinter ist die Küche – pardon: Kombüse wie wir Seeleute sagen. Ein kleiner Treppenabsatz führt in den Mittelteil des Schiffes mit Aufenthaltsraum und Haupt-steuerstand mit sämtlichen Hebeln, Sicherungen und Schaltern. Der Tisch lässt sich wegklappen und das Sofa zu einem Doppelbett für Passagier Nr. 7 und 8 umbauen.
Im Heck befinden sich dann zwei weitere Doppelkabinen.
Jede der drei Kabinen ist mit einer kleinen, aber funktionalen Naßzelle ausgestattet, in der sich ein Waschbecken, ein WC und eine Dusche befinden. Nach der Benutzung von Dusche oder WC muss das Brauchwasser mit einer elektrischen Lenzpumpe abgepumpt werden und wird nach - ähm - "irgendwohin" entsorgt. ;-)
Über den Heckkabinen befindet sich der Open-air Bereich mit Tisch und Sitzecke, sowie die „Flying Bridge“ – ein zweiter Steuerstand mit Ruder und Gashebel.
Die Reise
Unsere Anreise per Auto traten wir am Samstag, 10.05.2008 frühmorgens um 03:30 an, denn die reine Fahrzeit bis zum Ablegehafen betrug ca. 11 Stunden und im laufe des Nachmittags musste das Boot übernommen werden. Trotzdem wurde unterwegs in regelmäßigen Abständen Pause gemacht, hier ist die ganze Mannschaft beim Mittagessen an der Autobahnraststätte „Montélimar“ im Rhône-tal, wo das leckere Nougat herkommt. Diese Rastanlage ist unser traditioneller Zwischenstopp auf der Fahrt nach Südfrankreich.
Mit geringfügiger Verzögerung (der Reiseveranstalter hatte uns irrtümlich einen falschen Ausgangspunkt genannt wofür wir ihm schriftlich noch die Ohren langziehen werden) haben wir unseren Ausgangshafen Capestang erreicht, unsere Unterkunft für die nächste Woche - die „Pentolina“- übernommen und das Gepäck an Bord geschafft.
Der nächste "Programmpunkt" bestand in einer sorgfältigen Unterweisung und Probefahrt durch einen Mitarbeiter des Reiseveranstalters. Unserem Steuermann ist die Konzentration dabei deutlich anzusehen ;-)
Nach einem guten, französischen Abendessen in einer renovierten Weinkelter und der ersten Nacht an Bord wurden am nächsten Morgen die Leinen losgemacht und in den Kanal gestochen.
Der erste Tag bot ein leichtes Eingewöhnen und geruhsames Fahren, auf ca. 30 km ging es schleusenfrei übers flache Land, wenngleich einige heftige Biegungen und Schleifen in den Kanal eingebaut waren.
Die Strecke war geeignet, ein gutes Stück zurückzulegen und abends wurde das Etappenziel Argens-Minervois erreicht.
Diese geruhsame Fahrweise sollte sich am sich am zweiten Tag dann ändern. Der Kanal stieg nun deutlich an, Schleusen – auch solche mit zwei- und dreifacher Staustufe – waren zu überwinden und der Verkehr nahm spürbar zu. Je nach Größe der Schiffe und Schleusenkammern können bis zu vier Hausboote gleichzeitig einfahren, was schon eine zentimetergenaue Navigation erfordert.
Vor einigen Schleusen kam es zu verkehrsbedingten Wartezeiten, nicht zuletzt wegen gelegentlichem Auftauchen größerer Hotel- und Frachtschiffe, die als kommerzielle Verkehrsteilnehmer grundsätzliches Vorrecht vor den Freizeitbooten genießen.
Dennoch wurde auch das zweite Etappenziel erreicht und am Abend wurde im Hafen von Trèbes festgemacht.
Carcassonne
Trèbes ist eine kleine Weinbau-stadt ca. 6 km östlich der Stadt Carcassonne. Diese mittelalterliche Festungsanlage war sowohl geographisch wie auch kulturell der Höhepunkt unserer Reise und für einen Besuch der Stadt haben wir uns einen ganzen Tag reserviert. Aufgrund einer Empfehlung vor Ort beschlossen wir, Carcassonne nicht über den Kanal anzusteuern (was noch ca. 2 Stunden Fahrt durch sechs Schleusen bedeutet hätte) sondern für die kurze Strecke lieber den Bus zu nehmen, der stündlich verkehrt, zumal die Bushaltestelle direkt oberhalb des Hafens in Trèbes liegt.
Carcassonne behauptet von sich selbst, „die größte Festung Europas“ zu sein, ein Prädikat, das jedoch noch mindestens vier andere Festungsanlagen ebenfalls für sich in Anspruch nehmen. Auf jeden Fall zählt sie zu den heute noch am besten erhaltenen Festungsstädten.
Die mittelalterliche Cité gehört zum Weltkulturerbe und ist heute ein einziges Freilichtmuseum. Sie wird von zwei Ringmauern mit 52 Türmen umschlossen, die eine 3 km lange Stadtmauer ergeben. In den winkligen Gassen und Gässchen reihen sich malerische Häuser, in denen Handwerker, Künstler, Museen und – natürlich – Restaurants und Souveniergeschäfte alles was zum Thema Mittelalter und Ritter denkbar ist anbieten.
Trèbes/Carcassonne war gleichzeitig die Wendemarke auf unserer Fahrt, von da ab ging es kanalabwärts wieder zurück Richtung Capestang. Kurzzeitig kam hier noch etwas Nervosität auf durch die Nachricht eines möglicherweise bevorstehenden Generalstreiks in Frankreich für den kommenden Tag, von dem auch die Schleusenwärter betroffen sein könnten. Glücklicherweise verlief dieses Thema dann mehr oder weniger im Sande, so dass die Etappen der nächsten Tage wie geplant gefahren werden konnten und nicht wie zunächst befürchtet eine eintägige Zwangspause durch einen nachfolgenden Sprint ausgeglichen werden musste.
Wenn man nicht grade navigiert ...
Womit verbringt man die Zeit, wenn man nicht grade mit dem Steuern oder Festmachen des Schiffes beschäftigt ist oder sonswie von seinem Steuermann auf Trab gehalten wird?
Zunächst mal – mit dem was man auch zu Hause unter „Gemütlichkeit“ versteht: Lesen, Stricken, Musik hören, SMSen.
Aber auch für Frischluft-fanatiker ist auf einer solchen Fahrt gesorgt. Neben den Kanälen laufen auf der gesamten Strecke die alten Treidelpfade her, auf denen in früheren Zeiten Pferde oder Maultiere die Lastkähne zogen. Heutzutage „schinden“ sich auf ihnen die Bootstouristen – durch Jogging oder Radfahren, denn Fahrräder hat fast jedes Hausboot an Bord.
Oder aber man genießt einfach die Sonne.
Es lebt und blüht am Kanal...
Als der Kanal im 17. Jahrhundert gebaut wurde, wurden an seinen Ufern auf der ganzen Strecke Platanen oder Pinien gepflanzt – als Schattenspender für die Benutzer und zur Befestigung der Ufer durch die Wurzeln dieser Bäume. Sie prägen heute noch das Landschaftsbild, ebenso wie die ausgedehnten Weinfelder links und rechts des Kanals.
Darüberhinaus gibt am und im Wasser eine reichhaltige Pflanzen- und Tierwelt, man muss nur ein bisschen darauf achten um sie zu entdecken. Dass es im Wasser einen nennenswerten Fischbestand geben muss, sieht man an den zahlreichen Anglern, die an den Ufern sitzen und über den Schiffsverkehr nicht gerade erfreut sind. Auch sieht man im Kanal schon mal den einen oder anderen toten Fisch treiben.
Eidechsen und Geckos sahen wir auf Steinen und an den Mauern der Schleusenwärterhäuschen sitzen und auch eine Kreuzotter sonnte sich auf dem alten Treidelpfad, die ich zum Entsetzen meines Vaters näher betrachtet habe.
Wasserschwertlilien, Ginster, Nelken, Schachtelhalm und Aaronstab gehören zur typischen Pflanzenwelt.
Fast jede Schleuse hatte „ihren“ Hund – „Bonzo“, „Tosca“ und ihre Artgenossen waren manchmal nur schwer davon abzuhalten aufs Boot zu springen, besonders wenn sie dort etwas essbares witterten.
Und natürlich die allgegenwärtigen Enten! „Kalle“, „Agathe“, „Pepe“, „Hans-Jürgen“, „Reinhard von Bruchberg“, „Katharina von Suppenteller“ – unsere Töchter waren äußerst kreativ im Erfinden von Namen. Sie hatten grade Küken – die Enten meine ich - und sie erwiesen sich als zuverlässige Vernichter von Brotresten.
So ein Kapitän – hat´s scheen!
Und er erfindet auch mal völlig neue, progressive Methoden ein Schiff zu betreten!
Noch ein paar Eindrücke...
Nachfolgend stelle ich noch ein paar unkommentierte Bilder ein, aufgenommen entlang der Strecke, viel Spass beim Betrachten! (durch Anklicken können die Bilder vergrößert werden)
Na, seid Ihr auf den Geschmack gekommen?
Hier sind noch ein paar weiterführende Internet-links zu Reiseanbietern, die Hausbootferien - z.B. in Frankreich - anbieten:
http://www.crownblueline.com
http://www.connoisseur.de
http://www.france-fluviale.com
http://www.locaboat.com
http://www.hapimag.com/deu/Erlebniswelten/Discover/Hausboote.htm


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